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3.4.2 Formänderungsvermögen
Das Formänderungsvermögen
nimmt im Allgemeinen mit steigen
-
der Festigkeit ab, wie am Beispiel
des Zusammenhangs zwischen der
Bruchdehnung A
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und der Bruch-
einschnürung Z mit der Festigkeit
in Bild 30 zu sehen ist.
Das bedeutet, dass mit steigen
-
der Härte die plastische Verform-
barkeit abnimmt, was besonders
bei stark gekerbten Bauteilen und
beim Richten verzogener Teile
durch Biegen zum Bruch führen
kann. Kritisch sind auch hohe
Formänderungsgeschwindigkeiten
oder Belastungsstöße. Dadurch
können hochharte Werkstücke
leicht versagen. Aus Bild 30 ist zu
entnehmen, dass akzeptable Zähig
-
keitswerte erst ab Anlasstempera-
turen oberhalb von 550 °C erreich
-
bar sind. Dies ist die Grundlage
für das Anwenden des Vergütens.
3.4.3 Eigenspannungen
Durch das Austenitisieren wer
-
den im Werkstück bereits vorhan-
dene Eigenspannungen reduziert;
beim Abkühlen/Abschrecken kön-
nen jedoch neue Eigenspannun-
gen entstehen. Dies geht auf ther-
misch bedingte
Volumenkontrak-
tionen und umwandlungsbedingte
Volumendilatationen entsprechend
dem Tem
peraturprofil über den
Werkstückquerschnitt zurück.
Während des Austenitisierens
ist die Werkstofffestigkeit so gering,
dass sich vorhandene oder entste-
hende Spannungen durch plasti-
sche Verformungen verringern
können. Mit abnehmender Tem-
peratur und beginnender Umwand
-
lung des Austenits nimmt die Fes-
tigkeit zu, was plastische Verfor-
mungen erschwert oder unmöglich
macht, so dass es zwischen Werk-
stückbereichen mit unterschied-
lichen Volumenänderungen zu
Spannungen kommen kann. Die
rein thermisch bedingten Volumen
-
änderungen führen im Normalfall
nach dem Abkühlen zu Druck-
spannungen im Rand und Zug-
spannungen im Kern.
Die umwandlungsbedingten
Spannungen kommen dadurch zu-
stande, dass das spezifische Volu-
men durch die Bildung von Mar-
tensit (und/oder Bainit) wächst.
Abhängig vom Zeitpunkt, in dem
sich diese Volumenvergrößerung
in den einzelnen Werkstückberei-
chen der thermisch bedingten
Volumenabnahme überlagert, und
der dann vorliegenden Festigkeit
bzw. dem plastischen Verformungs
-
vermögen, resultiert ein Eigen-
spannungszustand, bei dem am
Rand sowohl Zug- als auch Druck-,
im Kern sowohl Druck- als
auch
Zugeigenspannungen herrschen
können.
Die Werkstückform und -ab-
messung, das Umwandlungsver-
halten (Härtbarkeit), die Wärme-
leitfähigkeit und die Warmfestigkeit
des jeweiligen Stahls sowie der
Abkühlverlauf bestimmen die Form
des Spannungsprofils im gehärteten
Zustand. Im Normalfall herrschen
nach dem Härten im Randbereich
Zug- und im Kernbereich Druck-
spannungen.
3.4.4 Einfluss des Härtens auf
die Werkstückform und
-abmessung
Wegen der beschriebenen
Volumenänderungen ändern sich
durch das Härten Maße und Form
eines Werkstückes. Für die Maß-
än
derungen ist hauptsächlich das
Volumenwachstum infolge der
Martensitbildung verantwortlich,
wie aus Bild 31 zu entnehmen ist,
in dem das spezifische Volumen
verschiedener Gefügezustände –
bezogen auf den Zustand bei Raum
-
temperatur – am Beispiel eines
Stahls mit rd. 0,8 Masse-% Kohlen-
stoff gegenübergestellt ist.
Die Darstellung lässt erkennen,
dass das spezifische Volumen des
martensitischen Gefüges um rd. 1 %
größer als das des perlitischen Aus
-
gangszustandes ist. Hieraus ergibt
sich eine Änderung der linearen
Abmessungen von rd. 3,3 ‰.
Theoretisch wird hiernach
eine Welle mit 1000 mm Länge
durch das
Härten gegenüber dem
Ausgangszustand um 3 mm län-
ger. Bei Stählen mit niedrigerem
Kohlenstoffgehalt ist die Volu-
menzunahme allerdings geringer,
und auch Martensitgehalte unter
100 %, insbesondere durch grö-
ßere Anteile von Restaustenit im
Gefüge, führen zu geringerem
Wachstum.
Die Auswirkung dieser Volu-
menzunahme auf die Werkstück-
form wird dadurch bestimmt, ob
die Austenit-Martensit-Umwandlung
gleichmäßig über den gesamten
Werkstückquerschnitt oder zeit-
lich versetzt erfolgt. So können
z. B. Volumenvergrößerungen auf-
grund
des Entstehens von Marten-
sit
im rascher abkühlenden Werk-
Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren
Bild 31:
Spezifisches
Volumen eines
Stahls mit
0,8 Masse-%
Kohlenstoff
in verschiede-
nen Gefüge-
zuständen
0
Spez. Volumen [cm
3
/g]
Austenit
0,120
Tetragonaler
Martensit
Kub. Martensit
(angel. 200 ºC/6,5 h)
Perlit
(geglüht)
0,125
0,130