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erwärmt und gehalten werden, um
den austenitischen Zustand herbei
-
zuführen und eine ausreichende
Menge Kohlenstoff im Austenit in
Lösung zu bringen. Als Austeni-
tisiertemperatur wird meist die
untere Grenze des für das Här-
ten zweckmäßigen Temperaturbe-
reichs
gewählt.
Die Anwendung des Bainiti-
sierens setzt die Verwendung von
Stählen voraus, die durch Zulegie-
ren von Chrom, Molybdän und
Mangan
eine ausreichend hohe
Härtbarkeit und damit eine Um-
wandlungscharakteristik aufwei-
sen, durch die beim Abkühlen ei-
ne Umwandlung des Austenits in
Ferrit und/oder Perlit unterdrückt
werden kann.
Der bainitische Zustand kann
durch Abkühlen mit einer für ein
kontinuierliches Umwandeln aus-
schließlich im Bainitbereich aus-
reichenden Geschwindigkeit – ab-
zulesen aus den ZTU-Schaubildern
für kontinuierliches Abkühlen –
oder durch isothermisches Um-
wandeln im Bainitbereich erreicht
werden.
Zum isothermischen Umwan-
deln ist von der Austenitisiertem-
peratur rasch auf eine Temperatur
unterhalb von etwa 500 °C, jedoch
oberhalb der Martensittemperatur
des betreffenden Stahls, gelegent-
lich auch knapp darunter, abzu-
kühlen und auf dieser Temperatur
bis zur mehr oder weniger vollstän
-
digen Umwandlung des Austenits
in Bainit zu halten. Anschließend
kann beliebig schnell auf Raum-
temperatur abgekühlt werden.
In Bild 32 ist ein typischer Zeit-
Temperatur-Verlauf schema
tisch
in das ZTU-Schaubild des Stahls
51CrV4 eingezeichnet. Daraus ist
zu ersehen, dass die Umwand-
lungsdauer je nach Temperatur
mehrere Stunden betragen kann.
Da bei einem kontinuierlichen
Abkühlen meist nicht zu vermeiden
ist, dass sich ein Teil des Austenits
bereits vor Erreichen des Bainit-
bereichs in Ferrit und/oder Perlit
um
wandelt und je nach Abkühl-
ge
schwindigkeit unterschiedlich
strukturierter Bainit entsteht, wird
in der Praxis das isothermische
Um
wandeln vorgezogen. Für die
Durchführung ist ein Salzbadtie-
gelofen oder ein Wirbelbett wie
beim Warmbadhärten erforderlich.
4.3 Eigenschaften bainitischer
Werkstücke
Wie oben beschrieben, besteht
das Bainitgefüge ähnlich dem des
Martensits aus einem mit Kohlen-
stoff übersättigten Ferrit, dessen
raumzentriertes Eisengitter durch
den Kohlenstoff tetragonal verzerrt
ist. Jedoch entstehen nahezu gleich
-
z
eitig mit dem Ferrit sehr feine
Carbidausscheidungen, wodurch
die Gitterverzerrung geringer als
beim Martensit ist. Dementspre-
chend ergeben sich auch geringere
umwandlungsbedingte Volumen-
änderungen als beim Härten. Licht
-
mikroskopisch ist die Unterschei-
dung zwischen Martensit und Bai-
nit nicht immer zweifelsfrei mög-
lich. In Bild 33 ist eine lichtmikros
-
kopische Gefügeaufnahme vom
bainitischen Zustand des Stahls
100Cr6 wiedergegeben.
Der bainitische Zustand zeich-
net sich, ähnlich wie der marten-
sitische auch, durch eine höhere
Härte gegenüber dem Ausgangszu
-
stand aus. Allerdings werden nicht
ganz die Werte erreicht, die durch
eine martensitische Härtung mög-
lich sind. Sie nähern sich diesen
jedoch umso mehr, je näher bei
einer isothermischen Umwandlung
die Umwandlungstemperatur am
Martensitpunkt M
s
liegt.
Im Vergleich zu einem vergü-
teten Zustand gleicher Härte ist die
Dehngrenze bainitischer Gefüge
höher. Optimale Werte ergeben
sich dabei, wenn das Gefüge voll-
ständig aus Bainit besteht.
Im bainitischen Zustand ist
auch das Formänderungsvermögen
größer als im martensitischen
Zustand, so dass höhere Werte
erreicht werden können als nach
einem Vergüten auf gleich hohe
Härte. Als besonders vorteilhaft
erweist es sich, dass zum Erzielen
hoher Zähigkeit nicht, wie nach
dem Härten, angelassen werden
muss.
Bainitischen Bauteilen, die ver
-
gleichsweise dieselbe Härte wie
martensitische aufweisen, wird
außerdem ein günstigeres Ver-
schleiß- und Schwingfestigkeitsver
-
halten nachgesagt. Durch das iso-
thermische Umwandeln sind die
Temperaturunterschiede zwischen
Rand und Kern eines Werkstücks
so gering, dass sich dadurch nur
sehr niedrige Eigenspannungen
ausbilden können. Im Normalfall
liegen am Rand nach dem Bainiti-
sieren Druck- und im Kernbereich
Zugspannungen vor. Die Gitterauf
-
weitung im Bainit ist geringer als
im Martensit, woraus sich ver-
gleichsweise geringere Volumen-
änderungen und somit geringere
M
aß- und Formänderungen als
durch ein Härten ergeben.
5 Anlassen
5.1 Zweck des Anlassens –
Begriffe
Das Anlassen dient dazu, das
Formänderungsvermögen gehär-
teter Bauteile und Werkzeuge zu
erhöhen und das Rissrisiko zu ver-
mindern.
Unter Anlassen ist nach DIN
EN 10052 ein Erwärmen auf Tem-
peraturen zwischen Raumtempe-
Wärmebehandlung von Stahl – Härten, Anlassen, Vergüten, Bainitisieren
Bild 33: Lichtmikroskopische Aufnahme
von Bainit beim Stahl 100Cr6
10 µm