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Im Allgemeinen nehmen durch
das Anlassen Härte und Festigkeit
ab, und das Formänderungsver-
mögen nimmt zu, auch die Eigen-
spannungen können sich verrin-
gern. Das spezifische Volumen
nimmt bei restaustenitfreien Ge-
fügen ab, vgl. Bild 31. Bei restaus-
tenithaltigen Gefügen finden bei
einer Umwandlung von Restauste-
nit zu Martensit jedoch eine Härte-
steigerung und eine Volumenzu-
nahme statt. Dadurch kann das
Formänderungsvermögen weiter
abnehmen und die Eigenspannun-
gen können zunehmen, wodurch
das Rissrisiko vergrößert wird.
Beim Vergüten werden durch
Anlasstemperaturen von 500 °C
und mehr die Härte und die Festig
-
keit so weit verringert und dadurch
das Formänderungsvermögen so
stark verbessert, dass das Risiko
eines spröden Bruchs erheblich ab
-
nimmt. In Anwendungsfällen, in
denen eine hohe Festigkeit verlangt
wird, sind zu diesem Zweck ent-
sprechend legierte Stähle mit aus-
reichender Anlassbeständigkeit zu
verwenden.
5.5 Anlassversprödung
Bei verschiedenen Werkstoffen
t
ritt durch Anlassen in bestimm-
ten Temperaturbereichen eine
Versprödung ein, die sich durch
Abnahme der Kerbschlagzähig-
keit
oder der Biegeschlagzähig-
keit ohne Änderung der anderen
mechanischen Kennwerte bemerk-
bar macht. Man unterscheidet
dabei:
die irreversible Anlassversprö-
dung
(300 °C-Versprödung), die
bei legierten und unlegierten
Stählen durch Anlassen im Tem
-
peraturbereich von etwa 200
bis 400 °C auftritt und durch
die Umwandlung der ε-Carbide
in Zementit verursacht wird.
Diese Versprödung ist abhän-
gig von der Werkstoffzusammen-
setzung,
sie kann nur unter Ver-
zicht auf den genannten Tempe-
raturbereich vermieden werden.
die reversible Anlassversprö-
dung
(500 °C-Versprödung), die
bei Stählen, die mit Chrom, Man-
gan
oder Nickel bzw. Kombina-
tionen dieser
Elemente legiert
sind und durch Anlassen im Tem-
peraturbereich zwischen etwa
350 und 550 °C
oder durch zu
langsames Ab
kühlen durch die-
sen Bereich
nach einem Anlas-
sen oberhalb von 550 °C auftritt.
Die reversible Anlassver-
sprödung kann durch bevor-
zugte Verwendung von Stählen
mit 0,3 bis 0,6 Massenanteilen
Molybdän in % oder der dop-
pelten Menge Wolfram oder
durch Anlassen außerhalb des
genannten Temperaturbereichs
vermieden werden.
Durch ein erneutes Anlassen
oberhalb 550 °C, gefolgt von
raschem Abkühlen auf Raum-
temperatur, kann die 500 °C-Ver
-
sprödung rückgängig gemacht
werden. Wird oberhalb von
550 °C angelassen, so ist nach
Ablauf der Anlassdauer in Öl,
Emulsion oder Wasser abzu-
schrecken.
6 Praxis des Härtens,
Bainitisierens,
Anlassens und
Vergütens von Bauteilen
und Werkzeugen
6.1 Vorbereiten und
Vorbehandeln
Das Vorbereiten und Vorbe-
handeln der Bauteile und Werk-
zeuge dient dazu, unerwünschte
Einflüsse von Eigenspannungen auf
die Formänderung oder des Ober-
flächenzustandes auf den Endzu-
stand zu beseitigen und den Wär-
mebehandlungsablauf abzusichern.
6.1.1 Spannungsarmglühen
Ein Spannungsarmglühen ist
dann angebracht, wenn damit zu
rechnen ist, dass die Form- und
Maßänderungen der zu härtenden
Bauteile oder Werkzeuge durch vor-
handene Eigenspannungen beson-
ders ungünstig beeinflusst werden.
Das Spannungsarmglühen er-
folgt im halbfertig bearbeiteten Zu-
stand der Werkstücke, die mit einer
ausreichenden Bearbeitungszugabe
zu versehen sind, so dass eine
Korrektur der eintretenden Maß-
und Formänderungen vorgenom-
men werden kann.
Die Temperatur muss unter-
halb der Umwandlungstemperatur
Ac
1
liegen, sie sollte dieser Tem-
peratur aber möglichst nahe sein.
Unter dieser Voraussetzung ist
nach dem Erwärmen ein Halten
nicht erforderlich. Beim Erwärmen
und Abkühlen ist darauf zu achten,
dass keine neuen Eigenspannungen
entstehen.
Für Bauteile und Werkzeuge,
die durch Kaltumformung herge-
stellt oder kaltumformend bearbei-
tet
wurden, eignet sich das Span-
nungsarmglühen nicht, da durch
Rekristallisation eine Grobkorn-
bildung im Gefüge eintreten
kann,
wodurch die Eigenschaften
im gehärteten Zustand beeinträch-
tigt werden können. In solchen
Fällen ist ein Normalglühen vor-
zuziehen.
6.1.2 Vor-Vergüten
Die im Rohteil vorhandenen
Spannungen können auch durch
Austenitisieren abgebaut werden,
vgl. 3.4.3. Dies kann dazu benutzt
werden, um die halbfertig bearbei
-
teten Teile einer Art Voraushärtung
zu unterziehen und damit die beim
Härten zu erwartenden Maß- und
Formänderungen kennen zu lernen.
I
n diesem Fall ist es zweckmäßig,
die gehärteten Bauteile oder Werk
-
zeuge mit einem ausreichenden
Aufmaß zu versehen und sie nach
Anlassen auf ausreichend hoher
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