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Es ist zu beachten, dass jedes
ZTA-Schaubild nur für eine ganz
bestimmte Stahlzusammensetzung
und ein bestimmtes Ausgangsge-
füge gültig ist. Die Schaubilder sind
jedoch für die Wärmebehandlung
sehr nützlich, da aus ihnen ange-
nähert die erforderliche Austeniti-
siertemperatur und Haltedauer
entnommen werden kann.
2.3 Gefügeänderungen
beim Abkühlen –
das ZTU-Schaubild
Entsprechend der in Bild 4
dargestellten Abhängigkeit des
Eisengittersystems von der Tempe
-
ratur verändert sich beim Abküh-
len auf Raumtemperatur auch das
Stahlgefüge. Bei sehr geringer Ab-
kühlgeschwindigkeit beginnt bei
Stählen mit Kohlenstoffgehalten
unter 0,8 Masse-% (untereutektoide
Stähle) unterhalb von 900 °C, nach
einer Entmischung des Kohlen-
stoffs, in den kohlenstoffärmeren
Bereichen die Umwandlung von
Austenit (Gitter: kfz) in Ferrit
(Git
ter: krz). Da dieser nur ein
sehr geringes Lösungsvermögen
für
Kohlenstoff besitzt, wird der
noch
vorhandene Austenit weiter
mit Kohlenstoff angereichert. Bei
723 °C weist er schließlich rd. 0,8
Masse-% Kohlenstoff auf und wan-
delt sich in Perlit (Ferrit und Car-
bide) um. Bei unlegierten Stählen
mit mehr als 0,8 Masse-% Kohlen-
stoff beginnt in den durch Entmi-
schung mit Kohlenstoff angerei-
cherten Austenitbereichen die
Ausscheidung von Zementit. Bei
legierten Stählen werden Carbide
ausgeschieden. Dabei wird dem
Austenit der Kohlenstoff bis auf
rd. 0,8 Masse-% entzogen, so dass
er sich bei 723 °C ebenfalls in Per-
lit umwandeln kann.
Die beschriebenen Vorgänge
setzen voraus, dass der Kohlen-
stoff im Eisengitter (Austenit) be-
weglich ist und diffundieren kann.
Bei sehr langsamer Abkühlung
steht hierfür ausreichend Zeit zur
Verfügung, und der erreichte
Gefügezustand entspricht einem
Gleichge
wichtszustand. Bei höhe-
rer Abkühlgeschwindigkeit als
1 ºC/s wird die Bewegung der
Kohlenstoffatome eingeschränkt
und die Diffusion (Entmischen)
behindert. Ab etwa 15 °C/s wird
die Umwandlung von Austenit in
Ferrit bzw. die Ausscheidung von
Carbi
d
en mehr oder weniger voll-
ständig
unterdrückt, und die Um-
wandlung in Perlit erfolgt erst
unter
halb von 723 °C und auch
bei
geringeren Kohlenstoffgehal-
ten als 0,8 Masse-%.
Bei noch höherer Abkühlge-
schwindigkeit wird die Umwand-
lung in Perlit abgelöst durch die
Bildung von Bainit. Bainit entsteht
dadurch, dass die Unterkühlung
des Austenits und damit der Zwang
zur Umwandlung des Eisengitters
in das kubisch raumzentrierte Sys-
tem so groß geworden ist, dass
der Austenit sich ohne vorange-
hende Kohlenstoffverarmung in
Ferrit umwandelt. Dessen Gitter
weicht jedoch im Unterschied zu
dem bei langsamer Abkühlung ent-
stehenden Ferrit von der kubischen
Form etwas
ab, und der Kohlen-
stoffgehalt ist höher. Gleichzeitig
werden Carbide ausgeschieden.
Eine noch größere Abwei-
chung vom Gleichgewichtszustand
ergibt sich durch sehr hohe Ab-
kühlungsgeschwindigkeiten, bei
denen eine Austenitumwandlung
bzw. Diffusion des Kohlenstoffs bis
herab zu Temperaturen von 400 °C
oder weniger unterbleibt. Aufgrund
der starken Unterkühlung erfolgt
dann innerhalb von Sekunden-
bruchteilen eine Gitteränderung,
bei der ein tetragonal raumzentrier-
tes
System entsteht, siehe
Bild 9.
Die Verzerrung des Eisen
gitters
gegenüber der kubischen Form
wird von den Kohlenstoffatomen
verursacht, die sich von ihren Plät-
zen
im Austenitgitter
nicht entfer-
nen konnten und quasi eingefro-
ren wurden. Der Gefügezustand
unterscheidet sich licht
mikrosko-
Merkblatt 450
0,1
Zeit [s]
Temperatur [ºC]
700
800
900
1000
1100
1 10
5
Erwärmgeschwindigkeit [ºC/s]
10 10
2
10
3
10
4
0,050,2213103010030010002400
1200
1300
„homogener Austenit“
„inhom
ogener Austenit“
Ferrit + Austenit + Carbide
Austenit + Carbide
Ferrit + Carbide (Weichglühgefüge)
Ac
1b
Ac
2
Ac
1e
Ferrit + Austenit + Carbide
Ac
c
„homogener A
„inhomogener Austenit“
Ac
c
Bild 8: ZTA-Schaubild für kontinuierliches Erwärmen des Stahls X37CrMoV5-1